Zwei Jahrzehnte Riester-Reform — hat sie Jemandem genutzt?

Die „Riester”-Reform (2003/2004) senkte das Rentenniveau der Gesetzlichen Rente in mehreren Stufen um fast ein Viertel (das Niveau, nicht die Renten ab­solut — daher haben es wegen des gleichzeitigen Wirtschaftswachstums und einer Schutzklausel Viele garnicht bemerkt). Der offensichtliche Zweck war die Kostensenkung für die Arbeitgeber (welche die Gesetzliche Rente in gleicher Höhe wie die Arbeitnehmer finanzieren müssen). Diese Senkung der Arbeits­kosten könnte positive Wachstumseffekte ausgelöst haben. Soweit der Nutzen.

Da die Rentenniveau-Senkung bei Umlagefinanzierung mit einer entsprechen­den Senkung des Beitragsniveaus verbunden ist, haben Viele vermutet, die Reform nutze nun den jüngeren Beitragszahlern. Das ist aber zu kurz gedacht. Um das gesenkte Rentenniveau (teilweise) auszugleichen, wurde den Arbeit­nehmern die neu geschaffene „Riester”-Rente empfohlen, kapitalgedeckt und garniert mit Förderungen und allerlei Drumherum, bis die derart Umworbenen und Verwirrten nicht mehr merkten, dass sie nun viel Weniger bekommen. Weil die Arbeitgeberbeiträge fehlen, müsste eine Ersatzrente etwa doppelt so ergiebig sein, um an die Gesetzliche Rente heranzureichen. Solche Wunder-Fi­nanzquellen gibt es nicht. Die Gesetzliche Rente spielt „in einer anderen Rendi­teliga” — jede Art von Ersatz-/Ergänzungsrente muss (ohne Arbeitgeberanteil) tiefer spielen. Genutzt hat die „Riester”-Rente nur Banken und Versicherungen.

Von den Befürwortern wird auch noch argumentiert, wenigstens habe die Sen­kung die Gesetzliche Rente bei zunehmender „Überalterung” des Versicherten­bestands bezahlbar gehalten. Tatsache ist dagegen, dass diese Überalterung im Rentensystem nach aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung noch immer nicht angekommen ist (wie ich an anderer Stelle zeige).

Und wenn dann die demographische oder Arbeitsmarkt-Entwicklung doch zu­schlagen wird, sorgt der 2007 in die Rentenanpassung eingeführte Nachhaltig­keitsfaktor für gerechten Ausgleich — ohne geändertes Rentenzugangsalter.

Grundsätzlich funktioniert jedes Altersvorsorge-System nach dem Prinzipfortlaufende kollektive Einzahlungen = fortlaufende kollektive Auszahlungen

Siehe auch: Prinzipieller Renditevergleich verschiedener Vorsorgesysteme     

 Unterscheidung der Begriffe  
Ø-Rentenhöhe = Durchschnitt Ø der aktuell ausbezahlten Renten
Rentenniveau = Verhältnis der Ø-Rentenhöhe / zu letzten Ø-Nettolöhnen
Kollektive Rendite der
Rente (für Arbeitnehmer)
= Verhältnis der Rentenzahlungen / zu Arbeitnehmerbeiträgen

Durch die „Riester”-Reform wurde
• die Zunahme der Rentenhöhe gebremst,
• das Rentenniveau stark gesenkt (ohne die Rentenhöhe absolut zu senken),
• die kollektive Rendite der Gesetzlichen Rente konstant gehalten (= min-
  dest. das Doppelte jeder Ersatz-/Ergänzungsrente ohne Arbeitgeberbeitrag).

➨auch Magnus Brosig: Gute Renten aus Aktienhand? Die Illusion von der Kapitaldeckung. Arbeitnehmerkammer Bremen, 2023 

Oskar Fuhlrott, Oktober 2023, Kopieren erwünscht